Aufstellung und pränatale, vorgeburtliche Zeit
Im Rahmen meiner langjährigen Erfahrung mit Aufstellungsarbeit ist mir die Bedeutung der vorgeburtlichen Zeit für das spätere Leben mehr und mehr bewusst geworden. Durch einen ständigen Austausch von Zellen zwischen Mutter und Kind steht das Kind in einem intensiven gefühlsmäßigen und sinnlichen Kontakt mit seiner Mutter. Es nimmt die Gefühle der Mutter wahr, reagiert auf ihre Zuwendung und erkennt ihre Stimme. Es erlebt Angst und Schrecken aus dem Lebensumfeld der Mutter ebenso mit wie Freude und liebevollen Umgang der Eltern miteinander. Derartige Eindrücke wirken oft als unbewusste Einflüsse auf die spätere Lebensgestaltung und Verhaltensweise des heranwachsenden Kindes und Erwachsenen.
Wie aktuelle Forschungen aus der pränatalen Psychologie, der Embryologie und der Neurobiologie zeigen, scheint die These der sogenannten infantilen Amnesie überholt. Auch wenn Erinnerungen der Embryonalzeit und Geburt nicht bewusst abrufbar sind, weil sie nicht im frontalen Cortex gespeichert werden, sind sie in subkortikalen Strukturen, im Frontallappen des Gehirns hinterlegt. Wie aus der Traumaforschung bekannt ist, vermag eine Kontrollinstanz im Kerngebiet des Temporallappens, die Amygdala, die Weitergabe von Informationen an das Großhirn zu blockieren und verhindert dadurch die Speicherung eines Geschehens als abrufbare Erinnerung.
Bis zur Entwicklung des Sprachbewusstseins ist dieser Vorgang in der Regel bei den meisten Menschen natürlich und normal, also nicht notwendigerweise an ein traumatisches Geschehen gebunden. Alle Erinnerungen des vorsprachlichen Lebens, und dazu gehört auch die vorgeburtliche Zeit, werden somit nicht im expliziten Gedächtnis, sondern im sogenannten Unbewussten, in subkortikalen Strukturen gespeichert.Von dort haben sie Auswirkungen auf unseren Charakter und unsere Lebensmuster und sind durch sensorische Reize als Emotionen, deren Ursache man nicht erkennt, („Ich verstehe gar nicht, warum ich so traurig bin, eigentlich geht es mir gut“ , „ich weiss gar nicht, warum mich das jetzt so wütend macht…“ etc.) triggerbar.
So kann von großer, ggf. traumatischer Auswirkung für das spätere Leben der Verlust eines Zwillings innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate oder ein überlebter Abtreibungsversuch der Mutter für das überlebende Kind sein und sich beispielsweise in Lebensgrundgefühlen von Trauer und Minderwertigkeitsgefühl, Erfolglosigkeit oder in dem Gefühl, keinen Platz zu haben, nicht dazuzugehören, ausdrücken. (siehe hierzu auch meine Blogeinträge.)
Die systemische Aufstellung im Einzel- oder Gruppensetting kann ermöglichen, Klarheit über die Ursachen von Konflikten und Widerständen im eigenen Leben zu erkennen und aufzulösen und wieder in seine Lebenskraft zurückzufinden.
Denn eine starke Persönlichkeit ist nicht nur eine Frage der charakterlichen Veranlagung, sondern hängt in hohem Maß von Bewusstheit, von Selbst-Bewusstheit ab: sich selbst zu kennen und zu verstehen, sich selbst zu vertrauen und zu achten, in gutem Kontakt zu seinem eigenen Leben zu stehen und bewusst zu leben, sind einige beispielhafte Merkmale von Persönlichkeit. Der vorgeburtliche Zeitraum stellt in diesem Sinn ein neues Feld der Selbsterfahrung und -erkenntnis dar.
Verlorener Zwilling & vorgeburtliche Prägung – Unsichtbare Spuren im Leben
Wie die vorgeburtliche Zeit unser Leben beeinflusst
Lange Zeit galt die Annahme, dass wir uns an die Zeit im Mutterleib nicht erinnern können. Doch aktuelle Forschungen aus der pränatalen Psychologie, Embryologie und Neurobiologie zeigen, dass sich vorgeburtliche Erlebnisse tief in unserem Unbewussten abspeichern.
Ein Kind im Mutterleib erlebt mehr, als viele denken:
- Gefühle & Schwingungen der Mutter – Angst, Freude, Stress, Zuneigung
- Unbewusste Bindung zu Zwillingen oder Mehrlingen
- Erste Sinneseindrücke – Stimmen, Berührungen, Umweltreize
Diese vorgeburtlichen Erfahrungen beeinflussen unsere spätere Persönlichkeit, Bindungsmuster und emotionale Grundstimmung – auch wenn wir uns nicht bewusst daran erinnern können.
Der verlorene Zwilling – Eine unbewusste Wunde?
Viele Schwangerschaften beginnen mit zwei oder mehr Embryonen, doch oft überlebt nur eines der Kinder. Ein solcher Verlust bleibt unbemerkt, kann aber tiefgreifende emotionale Auswirkungen auf den Überlebenden haben.
Typische Lebensgefühle von Menschen mit einem verlorenen Zwilling:
✅ Unerklärliche Traurigkeit („Ich weiß nicht, warum ich mich so leer fühle.“)
✅ Gefühl, dass etwas fehlt („Irgendetwas ist in meinem Leben nicht vollständig.“)
✅ Bindungsprobleme – Angst vor Nähe oder extreme Anhänglichkeit
✅ Erfolglosigkeit oder Selbstsabotage („Warum halte ich mich immer zurück?“)
✅ Gefühl, keinen Platz im Leben zu haben
Diese Muster entstehen, weil der frühe Verlust des Zwillings auf unbewusster Ebene abgespeichert wurde und sich emotional auswirkt.
Warum sind diese Erinnerungen nicht bewusst abrufbar?
Erlebnisse aus der frühen Kindheit und Embryonalzeit werden nicht im expliziten Gedächtnis (Frontallappen), sondern in subkortikalen Strukturen gespeichert.
- Sie sind nicht als bewusste Erinnerungen abrufbar.
- Sie beeinflussen dennoch unser Verhalten und unser emotionales Erleben.
- Sensorische Reize können sie unbewusst triggern.
Das bedeutet: Wir erinnern uns nicht bewusst an den Verlust eines Zwillings – aber unser Körper und unsere Emotionen erinnern sich.
Hier kann eine systemische Aufstellung helfen, um diese tiefen Muster sichtbar zu machen und aufzulösen.
Systemische Aufstellungen: Lösung für frühere Prägungen
Eine Familien- oder Themenaufstellung kann helfen, die Auswirkungen eines verlorenen Zwillings oder anderer vorgeburtlicher Erfahrungen bewusst zu machen und zu integrieren.
Wie läuft eine Aufstellung zu diesem Thema ab?
- Klärung des Anliegens → Besteht der Verdacht auf einen verlorenen Zwilling oder eine prägende vorgeburtliche Erfahrung?
- Aufstellung relevanter Elemente → Der verlorene Zwilling, die Mutter, das überlebende Kind und emotionale Zustände werden als Stellvertreter gewählt.
- Erkennen unbewusster Dynamiken → Bindungen, Schuldgefühle oder ungelöste Emotionen werden sichtbar.
- Lösungsbild entwickeln → Durch bewusste Anerkennung, Ablösung und Integration kann das überlebende Kind seine volle Lebenskraft zurückgewinnen.
Aufstellungen ermöglichen oft tief berührende Erkenntnisse, da sie direkt mit dem emotionalen Feld des Menschen arbeiten.
Fazit: Deine frühesten Prägungen bewusst machen – und befreien
Die pränatale Zeit hinterlässt tiefe Spuren in unserem emotionalen Erleben, unseren Bindungsmustern und unserem Selbstwertgefühl.
Besonders der Verlust eines Zwillings kann unbewusste Trauer, innere Leere oder Bindungsprobleme auslösen. Doch diese Prägungen müssen kein unausweichliches Schicksal sein.
Systemische Aufstellungen können helfen, diese frühen Erfahrungen ins Bewusstsein zu holen, zu verarbeiten und in Frieden damit zu kommen.